Geschichten aus der Notaufnahme

Der freiwillige Patient – Herkömmliche Geschichten aus der Notaufnahme

Keiner geht in seiner Freizeit freiwillig zum Arzt - das zeigt uns bereits jedes Kind recht deutlich. Es ist nur logisch anzunehmen, dass der Arzt nur in dringenden Fällen, bei gesundheitlichen Problemen aufgesucht wird, die einen wesentlich im Alltag stören oder von selbst nicht besser werden. Und wer ist schon freiwillig krank?

Was für den einen so offensichtlich erscheinen mag, trifft für andere absolut nicht zu. Es gibt sie, die freiwilligen Patienten. Solche, die bei jedem kleinsten Bagatellfall zum Arzt oder gar auf die Notaufnahme laufen, um sich abklären oder behandeln zu lassen. Solche, die zur Abklärung von langfristigen gesundheitlichen Schwächen an einem Sonntagabend auf die Notaufnahme laufen, weil sie da gerade Zeit hatten und sich "mal abklären lassen" wollten. Zwar kann ich nur von den Notaufnahmen sprechen, wo ich selbst gearbeitet habe, doch sicherlich werden diese Beispiele nicht wenigen bekannt sein.

Definition: Der freiwillige Patient ist ein Patient, der gerne den ärztlichen Kontakt sucht und geniesst. Dabei werden nicht nur begründete gesundheitliche Störungen als Anlass für ärztliche Konsultationen genommen - jeglicher Bagatellfall wird durch den freiwilligen Patienten für eine ärztliche Vorstellung genutzt. Der freiwillige Patient überträgt dabei stets die Verantwortung für seine eigene Gesundheit auf den Arzt. Nicht selten spielt primärer oder sekundärer Krankheitsgewinn eine herausragende Rolle - der Patient ist gerne krank. 

Das Verhalten von freiwilligen Patienten schadet sowohl ihnen selbst wie auch allen anderen, besonders aufgrund des in Industrienationen vorwiegend auf dem Solidaritätsprinzip basierenden Gesundheitssystems.

In diesem Artikel sind verschiedene Geschichten aus Notaufnahmen gesammelt. Alle in anonymisierter Form, zeitlich und örtlich nicht beschränkt auf spezifische Orte. Ziel ist es, die Grenzen bzw. Probleme unseres Gesundheitswesens aufzuzeigen und gleichzeitig darzulegen, wie die Integrierte Medizin bei der Lösung der Probleme behilflich sein könnte.   

1. Die Frau, deren Hobby das Spital ist

Eine 45-jährige Patientin mit ... sekundärer Krankheitsgewinn

2. Die Frau, die durch die Pflege ihres Mannes überlastet ist

Eine 72-jährige Patientin, die ihren 75 Jahre alten Mann mit Morbus Parkinson pflegt. Sie selbst ist multimorbide.

psychische Dekompensation, sekundärer Krankheitsgewinn

3. Die Frau, die wegen neu aufgetretenen “blauen Flecken” auf der Haut die Notaufnahme aufsucht

Eine 21-jährige Patientin, arbeitet in einem Supermarkt.

Unaufgeklärtheit über simple Gesundheitsthemen

4. Der Mann, nach einem Supinationstrauma ohne Schmerzen sein Sprunggelenk "zur Absicherung" zeigen kommt

Unaufgeklärtheit

5. Der Mann, der Überdiagnostik bei banalem Infekt fordert

Labor, CT, 24h-EKG, Herzecho für hustenbedingte intermittierende nach Bronchitis 

6 . Der ambulante Sektor - Ein Mann der aufgrund von Atemnot zu Hause bleiben möchte und nicht zum Arzt gehen will 

Ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Patienten scheint Ärzte als "Alleskönner" zu betrachten. Bei der heute ausgeprägten Spezialisierungstendenz innerhalb der Medizin ist die Fähigkeit, als Arzt ein Generalist zu sein, eine erstrebenswerte Eigenschaft. Und nur wenn man zu verschiedenen Fachgebieten zugehörige Patienten behandelt, kann man auch entsprechende Erfahrung als Generalist sammeln. Doch ist es ungemein schwer, ein Generalist zu sein. Ein zweijähriges Kind mit einem unklaren respiratorischen Infekt ist genauso besser bei einem Pädiater aufgehoben wie die junge Patientin, vielleicht sogar schwanger, die mit Unterbauchschmerzen zum Gynäkologen gehört.

Doch nicht selten gehen Eltern mit ihrem Kleinkind auf eine Notaufnahme, wo lediglich ein internistischer oder chirurgischer Dienstarzt (wahrscheinlich ein Arzt in Weiterbildung) Notfallschichten leistet. Natürlich kann dieser das Kleinkind, entsprechende Fähigkeit und Erfahrung vorausgesetzt, ebenfalls behandeln - dies ist ohne Frage eine gute Möglichkeit für den Arzt, Erfahrung zu sammeln. Doch zum Wohle des Kleinkindes selbst, möchte man die Eltern fragen: "Wäre ihr Kind nicht besser bei einem Kinderarzt aufgehoben?" 

Die Notaufnahmen werden in großem Maße missbraucht. Die Hauptlast davon tragen die Ärzte, mit vielen Überstunden und möglichen gesundheitlichen Folgen (z. B. Burnout-Syndrom). Doch auch die Bürger tragen die so entstehenden finanziellen Belastungen durch steigende Krankenversicherungsprämien, ein Phänomen, dass besonders in der Schweiz alljährlich beobachtet werden kann1.

Wir konstatieren also: Es kommen sehr viele Patienten auf die Notaufnahme, obwohl sie da nicht hingehören. Die anfangs geäußerte Annahme, keiner gehe freiwillig zum Arzt, stellt sich als falsch heraus.

>Das Konzept der aufgeklärten Patienten würde da wesentliche Abhilfe schaffen.

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  • 1. http://www.20min.ch/finance/news/story/So-viel-mehr-Praemie-zahlen-Sie-2018-in-Ihrem-Kanton-24272283